Die erste Messkampagne der DFG/HGF Forschungsinitiative 2895 wurde im November 2020 erfolgreich im Europäischen Transsonischen Windkanal (ETW) in Köln durchgeführt. Nachdem die wissenschaftlichen Aufgabenstellungen von den Forschungspartnern definiert wurden und ein Höhenleitwerk für das von Airbus zur Verfügung gestellte Modell konstruiert und gebaut wurde, konnten die Vorbereitungen am ETW beginnen. Das Modell wurde in der Messstrecke gebracht und eingehenden Untersuchungen und Probeläufen unterzogen, um die Messungen vorzubereiten. Das Messprogramm beinhaltete Anströmbedingungen bei mehreren Mach- und Reynoldszahlen für die Modellkonfiguration ohne Triebwerksgondeln. Die Messkampagne wurde nach mehreren Wochen Vorbereitungszeit im Laufe mehrerer Tage durchgeführt, wobei die Reynoldszahl in drei Schritten gesteigert wurde. Messungen bei niedrigen Reynoldszahlen konnten bei Umgebungstemperatur durchgeführt werden, während hohe Reynoldszahlen kryogenen Kanalbetrieb bei sehr tiefen Temperaturen und erhöhten Drücken erforderten. Die Messungen wurden zeitlich in Blöcke unterteilt, zwischen denen das Modell aus der Messstrecke entnommen wurde. Diese Pausen wurden für Modellinspektionen sowie für das Anbringen oder Entfernen entsprechend angepasster Turbulatoren an den Flügel- und Leitwerksoberflächen genutzt. Zusätzlich wurden Markierungspunkte an der Flügeloberfläche angebracht, um mit Hilfe von Kameras die aeroelastische Flügeldeformation zu erfassen.
Es wurden Reynoldszahlen zwischen 3.3 und 25 Millionen gemessen, bei Machzahlen zwischen 0.84 und 0.90. Zwei Stufen des dynamischen Drucks erlauben die Analyse der Einflüsse unterschiedlicher Flügeldeformationen. Kraft- und Momentenpolaren sowie Oberflächendrücke wurden im Zuge von Polarenmessungen bei jeder Anströmbedingung aufgenommen. So wurde eine weitreichende Charakterisierung der Lasten über einen großen Teil des Flugbereichs ermöglicht.
Eines der Hauptziele der Messkampagne war die Messung mit Hilfe druckempfindlicher Farbe (PSP) bei vorab definierten Anstellwinkeln und Anströmbedingungen, um die Umströmung des Flügels und Leitwerks bei hohen Reynoldszahlen zu charakterisieren. Neben der üblichen Messtechnik wurden daher im ETW durch das DLR vor dem Versuch Hochgeschwindigkeitskameras und dazugehörige LED-Beleuchtung eingerichtet, um entsprechende Daten an den Flügel- und Leitwerksoberflächen erfassen zu können. Die Flächen wurden mit speziell vom DLR PSP Team angefertigter Farbe beschichtet, die für jede Modellkonfiguration neu aufgetragen wurde wobei unterschiedliche Mischungen für verschiedene Temperaturstufen notwendig waren. Dadurch musste die Farbschicht zwischen den Messblöcken ausgetauscht werden. Mit Hilfe von insgesamt vier Kameras in den Windkanalwänden wurden sowohl stationäre als auch instationäre PSP-Messungen durchgeführt. Die instationären Messreihen wurden mit bis zu 2000 Bildern pro Sekunde durchgeführt, was präzise Einblicke in das Stoßverhalten bei hohen Anstellwinkeln geliefert hat.
Aufgrund der besonderen Covid-Situation war im Gegensatz zu früheren wissenschaftlichen Messkampagnen nur ein Minimum an externem wissenschaftlichem Personal im ETW vor Ort. Andreas Waldmann von der Universität Stuttgart war Kontaktperson für die Wissenschaftler der FOR, während Daisuke Yorita und Ulrich Henne als DLR PSP Team die entsprechenden Messungen durchführten. Die Messungen konnten durch den ständigen Austausch mit dem Rest der Forschungsinitiative spezifisch auf den Bedarf der Forschenden ausgerichtet werden. Nichtsdestoweniger lief die Messkampagne erfolgreich nach Plan und lieferte eine große Menge an Daten. Diese werden im Kontext der FOR 2895 zum Verständnis des Flugzeugverhaltens bei hohen Reynoldszahlen und im High Speed Stall beitragen. Zudem existiert dadurch für alle nachfolgenden Messkampagnen ein Referenzdatensatz der XRF-1 Konfiguration für Analysen und Vergleiche.